Das wirtschaftliche Potenzial der generativen KI: Eine umfassende Analyse
- ABD-Updates
- 19. Mai
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Einleitung
Die generative KI hat sich seit ihrer breiten Einführung Ende 2022 rasant entwickelt und verspricht, die Wirtschaft grundlegend zu verändern. Der McKinsey-Bericht "The Economic Potential of Generative AI: The Next Productivity Frontier" bietet eine umfassende Analyse dieses Potenzials und seiner Auswirkungen auf Unternehmen, Branchen und die Arbeitswelt. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und ergänzt sie mit aktuellen Entwicklungen.
Das wirtschaftliche Wertpotenzial der generativen KI
Generative KI könnte jährlich zwischen 2,6 und 4,4 Billionen US-Dollar zur globalen Wirtschaft beitragen – ein Wert, der mit dem gesamten BIP des Vereinigten Königreichs im Jahr 2021 (3,1 Billionen US-Dollar) vergleichbar ist. Diese beeindruckende Zahl würde die Auswirkungen aller künstlichen Intelligenz um 15 bis 40 Prozent erhöhen (McKinsey, 2023).
Unter Berücksichtigung der Produktivitätssteigerungen, die entstehen, wenn die Technologie auf Aktivitäten von Wissensarbeitern angewendet wird, könnten sich die gesamten wirtschaftlichen Vorteile der generativen KI sogar auf 6,1 bis 7,9 Billionen US-Dollar jährlich belaufen (McKinsey, 2023).
Wertschöpfung nach Geschäftsfunktionen
Der McKinsey-Bericht identifiziert vier Schlüsselbereiche, die etwa 75 Prozent des Wertpotenzials der generativen KI ausmachen:
Kundenservice: Generative KI kann die Kundenerfahrung durch personalisierte Interaktionen verbessern und die Produktivität der Mitarbeiter durch intelligente Unterstützung steigern. Das Wertpotenzial liegt bei 30-45% der aktuellen Funktionskosten. "Generative KI könnte die Produktivität im Kundenservice mit einem Wert zwischen 30 und 45 Prozent der aktuellen Funktionskosten steigern" (McKinsey, 2023).
Marketing und Vertrieb: Die Technologie kann personalisierte Nachrichten erstellen, Markeninhalte entwerfen und Kundensegmente präziser ansprechen. "Wir schätzen, dass die Implementierung von generativer KI die Vertriebsproduktivität um etwa 3 bis 5 Prozent der aktuellen globalen Vertriebsausgaben steigern könnte" (McKinsey, 2023).
Softwareentwicklung: Entwickler können generative KI für Pair Programming und erweitertes Coding nutzen. "Nach unserer Analyse könnte die direkte Auswirkung von KI auf die Produktivität der Softwareentwicklung zwischen 20 und 45 Prozent der aktuellen jährlichen Ausgaben für diese Funktion liegen" (McKinsey, 2023).
Forschung und Entwicklung: Generative KI kann den F&E-Prozess beschleunigen, insbesondere in den Bereichen Biowissenschaften und Chemie. "Unsere Forschung zeigt, dass die Technologie eine Produktivität mit einem Wert zwischen 10 und 15 Prozent der gesamten F&E-Kosten liefern könnte" (McKinsey, 2023).
Wertpotenzial nach Branchen
Die Auswirkungen der generativen KI werden sich über alle Wirtschaftssektoren erstrecken, wobei einige Branchen besonders profitieren werden:
Banken: "Generative KI könnte einen erheblichen Einfluss auf die Bankenbranche haben und einen Wert durch erhöhte Produktivität von 2,8 bis 4,7 Prozent des jährlichen Branchenumsatzes oder zusätzliche 200 bis 340 Milliarden US-Dollar generieren" (McKinsey, 2023).
Einzelhandel und Konsumgüter: "Die Technologie könnte für die Einzelhandels- und Konsumgüterindustrie einen Wert generieren, indem sie die Produktivität um 1,2 bis 2,0 Prozent des jährlichen Umsatzes oder zusätzliche 400 bis 660 Milliarden US-Dollar steigert" (McKinsey, 2023).
Pharma und Medizinprodukte: "Unsere Analyse zeigt, dass generative KI erhebliche Auswirkungen auf die Pharma- und Medizinproduktebranche haben könnte – zwischen 60 und 110 Milliarden US-Dollar jährlich" (McKinsey, 2023).
Hochtechnologie: Mit einem Wertpotenzial von 240-460 Milliarden US-Dollar jährlich (4,8-9,3% des Branchenumsatzes) gehört die Hochtechnologiebranche zu den größten Nutznießern der generativen KI (McKinsey, 2023).
Transformation der Arbeitswelt
Technisches Automatisierungspotenzial
Die aktuelle generative KI und andere Technologien haben das Potenzial, Arbeitsaktivitäten zu automatisieren, die heute 60-70% der Arbeitszeit der Beschäftigten in Anspruch nehmen. Dies ist eine deutliche Steigerung gegenüber früheren Schätzungen von etwa 50% (McKinsey, 2023).
"Die Beschleunigung des Potenzials für technische Automatisierung ist größtenteils auf die verbesserte Fähigkeit der generativen KI zurückzuführen, natürliche Sprache zu verstehen, was für Arbeitsaktivitäten erforderlich ist, die 25 Prozent der gesamten Arbeitszeit ausmachen" (McKinsey, 2023).
Unterschiedliche Auswirkungen auf Berufsgruppen
Im Gegensatz zu früheren Automatisierungswellen wird generative KI voraussichtlich die größten Auswirkungen auf Wissensarbeiter haben:
"Generative KI wird wahrscheinlich die größten Auswirkungen auf Wissensarbeit haben, insbesondere auf Aktivitäten, die Entscheidungsfindung und Zusammenarbeit beinhalten, die zuvor das geringste Potenzial für Automatisierung hatten" (McKinsey, 2023).
Der Bericht stellt fest, dass "das technische Potenzial zur Automatisierung der Anwendung von Fachwissen um 34 Prozentpunkte gestiegen ist, während das Potenzial zur Automatisierung von Management und Talententwicklung von 16 Prozent im Jahr 2017 auf 49 Prozent im Jahr 2023 gestiegen ist" (McKinsey, 2023).
Besonders bemerkenswert ist, dass "generative KI die größten Auswirkungen auf Aktivitäten in hochbezahlten Jobs haben könnte; zuvor waren die Auswirkungen der Automatisierung in den unteren mittleren Einkommensquintilen am höchsten" (McKinsey, 2023).
Zeitrahmen für die Adoption
Die aktualisierten Adoptionsszenarien deuten auf eine beschleunigte Transformation hin:
"Unsere aktualisierten Adoptionsszenarien, die die Entwicklung der Technologie, wirtschaftliche Machbarkeit und Verbreitungszeiträume berücksichtigen, führen zu Schätzungen, dass die Hälfte der heutigen Arbeitsaktivitäten zwischen 2030 und 2060 automatisiert werden könnten, mit einem Mittelpunkt im Jahr 2045 – oder etwa ein Jahrzehnt früher als in unseren vorherigen Schätzungen" (McKinsey, 2023).
Die Adoption wird in entwickelten Ländern mit höheren Löhnen voraussichtlich schneller erfolgen, da die wirtschaftliche Machbarkeit der Einführung von Automatisierung früher eintritt (McKinsey, 2023).
Produktivitätssteigerung
Generative KI bietet ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Arbeitsproduktivität:
"Generative KI könnte je nach Tempo der Technologieeinführung und Umverteilung der Arbeitszeit auf andere Aktivitäten ein jährliches Produktivitätswachstum von 0,1 bis 0,6 Prozent bis 2040 ermöglichen. In Kombination mit allen anderen Technologien könnte die Arbeitsautomatisierung jährlich 0,5 bis 3,4 Prozentpunkte zum Produktivitätswachstum beitragen" (McKinsey, 2023).
Diese Produktivitätssteigerung könnte dazu beitragen, die Auswirkungen der Alterung auszugleichen, die in vielen großen Volkswirtschaften der Welt zu einem Rückgang des Arbeitskräftewachstums führt (McKinsey, 2023).
Branchenspezifische Anwendungen
Einzelhandel und Konsumgüter
Generative KI transformiert den Einzelhandel und die Konsumgüterbranche durch:
Neugestaltung der Kundeninteraktionsmuster: "Verbraucher suchen zunehmend nach Individualisierung bei allem, von Kleidung und Kosmetik bis hin zu kuratierten Einkaufserlebnissen, personalisierter Ansprache und Lebensmitteln – und generative KI kann diese Erfahrung verbessern" (McKinsey, 2023).
Beschleunigte Wertschöpfung: "Generative KI-Tools können das Schreiben von Texten für Marketing und Vertrieb erleichtern, beim Brainstorming kreativer Marketingideen helfen, Verbraucherforschung beschleunigen und die Analyse und Erstellung von Inhalten beschleunigen" (McKinsey, 2023).
Schnelle Problemlösung im Kundenservice: "Einzelhändler können bestehende KI-Tools mit generativer KI kombinieren, um die Fähigkeiten von Chatbots zu verbessern, sodass sie den Interaktionsstil menschlicher Agenten besser nachahmen können" (McKinsey, 2023).
Banken
Banken können generative KI nutzen durch:
Virtueller Experte zur Leistungssteigerung der Mitarbeiter: "Ein auf proprietärem Wissen wie Richtlinien, Forschung und Kundeninteraktionen trainierter generativer KI-Bot könnte ständig verfügbare, tiefgreifende technische Unterstützung bieten" (McKinsey, 2023).
Codebeschleunigung: "Generative KI-Tools sind für die Softwareentwicklung in vier breiten Kategorien nützlich. Erstens können sie Code basierend auf Kontext über Eingabecode oder natürliche Sprache entwerfen... Zweitens können solche Tools automatisch verschiedene Codetests generieren, priorisieren, ausführen und überprüfen... Drittens können die Übersetzungsfähigkeiten natürlicher Sprache der generativen KI die Integration und Migration von Legacy-Frameworks optimieren. Schließlich können die Tools Code überprüfen, um Defekte und Ineffizienzen im Computing zu identifizieren" (McKinsey, 2023).
Erstellung maßgeschneiderter Inhalte im großen Maßstab: "Generative KI-Tools können auf bestehende Dokumente und Datensätze zurückgreifen, um die Inhaltserstellung erheblich zu rationalisieren" (McKinsey, 2023).
Pharma und Medizinprodukte
In der Pharmabranche kann generative KI:
Vorläufiges Screening automatisieren: "In der Lead-Identifikationsphase der Arzneimittelentwicklung können Wissenschaftler Foundation Models verwenden, um das vorläufige Screening von Chemikalien bei der Suche nach solchen zu automatisieren, die spezifische Wirkungen auf Arzneimittelziele haben werden" (McKinsey, 2023).
Indikationsfindung verbessern: "Eine wichtige Phase der Arzneimittelentdeckung beinhaltet die Identifizierung und Priorisierung neuer Indikationen... Mit Foundation Models können Forscher klinische Ereignisse quantifizieren, Beziehungen herstellen und die Ähnlichkeit zwischen der Patientenkohorte und evidenzbasierten Indikationen messen" (McKinsey, 2023).
Produkttests optimieren: "Forscher können Testfälle für effizienteres Testen optimieren und so die für den physischen Aufbau und das Testen erforderliche Zeit reduzieren" (McKinsey, 2023).
Aktuelle Entwicklungen seit der Veröffentlichung des Berichts
Seit der Veröffentlichung des McKinsey-Berichts im Juni 2023 hat sich die generative KI-Landschaft weiterentwickelt:
Neue Modelle und Fähigkeiten:
OpenAI hat GPT-4o und GPT-4 Turbo mit verbesserten multimodalen Fähigkeiten veröffentlicht
Anthropic hat Claude 3 mit verschiedenen Varianten (Haiku, Sonnet, Opus) eingeführt
Google hat Gemini Ultra, Pro und Nano mit fortschrittlichen Reasoning-Fähigkeiten vorgestellt
Breitere Unternehmensadoption:
Unternehmen haben begonnen, generative KI in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren
Microsoft hat Copilot in seine Office-Anwendungen integriert
Salesforce hat Einstein GPT für CRM-Anwendungen eingeführt
Regulatorische Entwicklungen:
Die EU hat den AI Act verabschiedet, der einen Regulierungsrahmen für KI-Systeme schafft
Die USA haben eine Executive Order zu KI-Sicherheit und -Rechten erlassen
Globale Initiativen zur verantwortungsvollen KI-Entwicklung haben an Dynamik gewonnen
Wirtschaftliche Auswirkungen:
Frühe Implementierungen bestätigen die Produktivitätssteigerungen, die im Bericht prognostiziert wurden
Unternehmen berichten von 20-40% Effizienzsteigerungen in bestimmten Funktionen
Der Arbeitsmarkt zeigt erste Anzeichen von Verschiebungen, wobei bestimmte Rollen umgestaltet werden
Herausforderungen und Überlegungen
Der McKinsey-Bericht identifiziert mehrere Herausforderungen im Zusammenhang mit generativer KI:
Risiken der generativen KI
"Generative KI birgt verschiedene Risiken. Stakeholder werden diese Risiken von Anfang an angehen wollen" (McKinsey, 2023):
Fairness: "Modelle können aufgrund unvollkommener Trainingsdaten oder Entscheidungen der Ingenieure, die die Modelle entwickeln, algorithmische Verzerrungen erzeugen."
Geistiges Eigentum: "Trainingsdaten und Modellausgaben können erhebliche IP-Risiken verursachen, einschließlich der Verletzung von urheberrechtlich geschützten, markenrechtlich geschützten, patentierten oder anderweitig rechtlich geschützten Materialien."
Datenschutz: "Datenschutzbedenken könnten entstehen, wenn Benutzer Informationen eingeben, die später in Modellausgaben in einer Form erscheinen, die Personen identifizierbar macht."
Sicherheit: "Generative KI kann von böswilligen Akteuren verwendet werden, um die Raffinesse und Geschwindigkeit von Cyberangriffen zu beschleunigen."
Erklärbarkeit: "Generative KI basiert auf neuronalen Netzwerken mit Milliarden von Parametern, was unsere Fähigkeit herausfordert, zu erklären, wie eine bestimmte Antwort produziert wird."
Überlegungen für verschiedene Stakeholder
Der Bericht stellt wichtige Fragen für verschiedene Interessengruppen:
Für Unternehmen und Führungskräfte: "Wie können Unternehmen schnell den potenziellen Wert erschließen, während sie die Risiken managen, die generative KI mit sich bringt?" (McKinsey, 2023)
Für politische Entscheidungsträger: "Wie kann die Zukunft der Arbeit auf der Ebene einer Wirtschaft in Bezug auf Berufe und Fähigkeiten aussehen? Was bedeutet das für die Arbeitskräfteplanung?" (McKinsey, 2023)
Für Einzelpersonen: "Wie besorgt sollten Einzelpersonen über das Aufkommen der generativen KI sein? Während Unternehmen bewerten können, wie die Technologie ihre Ergebnisse beeinflussen wird, an wen können sich Bürger für genaue, unvoreingenommene Informationen darüber wenden, wie sie ihr Leben und ihren Lebensunterhalt beeinflussen wird?" (McKinsey, 2023)
Fazit
Generative KI steht erst am Anfang ihrer Entwicklung, aber ihr Potenzial zur Umgestaltung von Unternehmen, Branchen und der Arbeitswelt ist enorm. Mit einem geschätzten jährlichen Wertbeitrag von 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar könnte die Technologie ein bedeutender Treiber für Produktivitätswachstum und wirtschaftliche Entwicklung sein.
"Die Zeit zum Handeln ist jetzt", schließt der McKinsey-Bericht. Die Realisierung dieses Potenzials erfordert sorgfältige Überlegungen zu Risiken, Umschulungsbedarf und ethischen Implikationen. Unternehmen, politische Entscheidungsträger und Einzelpersonen müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass generative KI ihr Versprechen erfüllt, erheblichen Wert zu schaffen, während ihre potenziellen negativen Auswirkungen begrenzt werden.


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